Freitag, 27. März 2015

GR56

Es ist schon manchmal ein komisches Gefühl wenn das "grosse Zeitgeschehen" die eigene kleine Welt zummindest streift. Seit Ich anfing die neue Route zu planen, jene über den Vercors und die Seeealpen also, wurden plötzlich Ortsnamen Teil meiner Welt, von denen ich vorher noch ne was gehört hatte; Peyrus, Breil sur Roya,  Seyne, Barcelonnette...

Und plötzlich weiss die ganze Welt wo Barcelonnette liegt.

Mein Weg durch die Alpen, der GR53, (Chemin de Grande Randonnée / "Grosser Wanderweg") führt  bis zu 3,5 km an der Absturzstelle vorbei.


Der Weg an dieser Stelle, der Ravin de l'Elve dürfte überhaupt einer der schwierigsten Stellen des Pfades sein. Ich hoffe inständig, ein Esel kommt da noch durch. Und ich erst. Immerhin hat Gamin ja die Pyrenäen überquert, auch dort gibt es sehr schwierige Strecken. Aber ich... Mit ein bisschen Vogesengetippel als Übung.

Erinnerungen weden wach. Vor fast 20 Jahren zeichnete ich einen Comic über ein abgestürztes, deutsches Flugzeug in den Alpen.

Nun, sofern mein Weg wirklich über den GR56 gehen wird. man weiss ja nie. Ich habe aufgehört, meine Pläne in Stein zu meisseln, ich werde flexibel und so reisen, wie der Wind die Segel gerade füllt.

Im Endeeffekt zählt nur, dass ich irgendwie nach Torrita Tiberina und Maglie komme.

Dienstag, 17. März 2015

where to look amid the garbage and the flowers...

Dieser Tage übe ich ganz intensiv mit dem GPS. In wenigen Wochen werde ich in mir völlig unbekannten Gebiet wandern und dann sollte ich das Ding wenigstens beherrschen. Heute riss ich also ca 15 Kilometer (eine Tagesleistung) ab, in dem ich einem zuvor am PC erschaffenen Track auf dem GPS folgte.

Es ging durch Wälder, Unterholz und Gestrüpp und ohne das Teil hätte ich mit Sicherheit nach kurzer Zeit nicht mehr gewusst, wo hinten und vorne, oben und unten ist. 

Naja, ich wusste es auch so nicht, aber solange das blaue Pfeilchen auf dem Display der rosa Linie folgte, war alles in Butter.


Die Tour führte durch die so typischen Vogesenwälder: Mit teilweise solchen Wegen:


Weniger schön war dann diese Entdeckung:



Ich finde das zum Kotzen. Wer entsorgt bitte seine Autoteile einfach so im Wald? Es gibt überall professionelle Auto-Verschrotter. Es macht bestimmt nicht mehr Mühe (eher weniger) seine Altkarre zu einem solchen zu  fahren, statt die Teile in der Natur zu verteilen.

Aber wie im Lied "Suzanne" von Leonard Cohen beschrieben, muss man wissen, wohin man gucken muss, zwischen dem Abfall und den Blumen. Und so wurde am Ende eines Pfades, vor einer Kreuzung mein Blick sanft gelenkt:
Auf den Boden, auf eine kleine Reh-Abwurf Stange. Ich war so aufgeregt! Schon immer habe ich mir gewünscht, einmal eine zu finden. Und in so manchen Nächten träumte ich, dass dies passiert.



Ich hob sie auf und da fiel mein Blick auf eine..nein ZWEI weitere!




Es war wie im Märchen. Ein intensiver Augenblick des Glücks. Still und kraftvoll war die Magie über mich hereingebrochen.
Drei Krickel - aber warum drei? Aber ja doch: Eine für Aldo, eine für JFK und eine für mich.
Wir sind auf dem richtigen Weg, die Natur spricht zu uns mit uns und durch uns.

Ich packte die Rehstangen ein und ging leichten Fusses weiter. Ich habe mich nicht einmal verlaufen. Alles ist im Fluss.

Freitag, 13. März 2015

Mach mich nicht an !

«Wenn Sie nicht wollen, dass der Typ in Flammen aufgeht, zünden Sie ihn nicht an.»

Das rät der Autor Zmile Brager in seinem Leitfaden für Langzeit-Wanderreiter, in einem extra  Kapitel für weibliche Reiterinnen.

Unabhängig von der Tatsache, dass es sich für die geneigte Leserin etwas komisch anfühlt dass ein Mann Ratschläge zum Thema Monatshygiene gibt: Obiger Satz ist typisch für die männliche Perspektive in einer Problematik, die Frauen in einem ganz anderen Masse betrifft, als Männer. Die der sexullen Belästigung.

Der Autor scheibt weiter, frau solle auf zu enge, aufreizende Kleider verzichten und nicht zu oft, bzw gar nicht lächeln.

Stöckelschuhe und Minirock sind auf einer Trekking Tour nicht sehr praktisch und werden wohl nur von einer Minderheit der Wanderreiterinnen und Säumerinnen  getragen.
Aber lächeln? ist das wirklich schon «anzünden»?

Was genau ist eigentlich «aufreizendes Verhalten» und oder Kleidung?
Ich bin sicher nicht die einzige Frau zu der man schon zudringlich wurde, obwohl sie weite Schlabberklamotten trug und unfreundlich dreinguckte.

Das eigentliche Problem ist die Umkehrung der Verantwortlickeiten.  Nicht der Mann muss seine Triebe unter Kotrolle halten und sich zivil verhalten, die Frau ist für letztere verantwortlich.

Ein Ding der Unmöglichkeit, denn das Empfinden von «aufreizend» ist subjektiv.
In manchen Stämmen sind alle Frauen barbusig ohne dass es irgendjemanden juckt. In anderen Kulturen müssen sich Frauen komplett in Säcke stecken um keine Versuchung darzustellen.

Zudem sprechen die Statistiken eine ganz andere Sprache. Nicht kesse Minirockträgerinnen  werden am meisten vergewaltigt, sondern schüchterne Mauerblümchen.
Ein sicheress Anti-Anmache Outfit gibt es nicht. Das Problem liegt bei der Einstellung des Mannes, der jede Frau auf ihreVerfügbarkeit prüft, statt sie einfach nur als Mitmenschen zu sehen und ergo auch so zu behandeln.
Dagegen kann frau nicht viel machen, ausser das Signal zu geben, dass sie darauf besteht, als Mensch behandelt zu werden, egal welche Kleidung sie trägt.

Demnächst habe ich einen Termin beim Frisör. Kurzhaarschnitt ist angesagt. Das ist auf der Pilgerfahrt praktischer, von wegen schneller trocknen ach dem Waschen und so. Ich werde damit nicht undbedingt gut aussehen. Ein durchus gewollter Nebeneffekt.

Schade, dass frau so denken muss.


Mittwoch, 11. März 2015

Wer bist Du?

Nun da all die erdgebundenen, praktischen Aspekte so langsam in geordnete Bahnen kommen, fühle ich dass es Zeit ist, mich innerlich stärker dem  Ziel meiner Pilgerfahrt zu  widmen; Aldo Moro.

Ich vernehme seinen Ruf. Immer stärker und stärker und habe das tiefe Bedürfnis, mich ganz darauf einzulassen.
Die alltäglichen Belange und Sorgen die mich noch umtreiben versuche ich von mir zu schütteln. Mein Blick möchte nach innen gehen, möchte sich Aldo zuwenden.

Meine Beziehung zu ihm in dieser Pilgerreise hat viele Facetten.

Manchmal fühle ich mich wie im Märchen von Dornröschen - mit umgekehrten Geschlechterrollen.
Als Prinzessin, die irgendwo in der Ferne nach einem verwunschenen Prinzen sucht. Seit hundert Jahren schläft er in einer verborgenen Gruft am Ende der Welt, bewacht von Rosen und Zikaden.

Sein unendlich tragisches Schicksal war on einer guten Fee abgemildert worden. Ein Blutstropfen und eine Träne fielen auf eine Rose und liessen sie wachsen. Unerkannt und wuchs diese Rose an seinem Grab und entwickelte sie sich zu einem gewaltigen Gestrüpp aus Dornen und Blüten, welches unsichtbar die ganze Welt umspannt.

Nur wenige hören den Ruf, der von diesem geheimen Ort ausgeht. Und von denen, die sich aufmachen, ihm zu folgen, erreichen noch weniger das Ziel. Denn der Rosenwald ist dicht und die Dornen gnadenlos. 

Werde ich hinduch kommen?
Gibt es dann den erlösenden Kuss, das Erwachen aus dem Schmerz?

Dann wieder erlebe ich Aldo als den unternehmungslustigen und höchst lebendigen jungen Mann. Als Philosoph, Politiker und Lehrer. Er will mir seine Heimat zeigen und fragt mein Italienisch ab, spornt mich an, mehr zu lernen und neue Grenzen auszutesten.
Aldo Moro hat seine Prinzipien und seine Würde. Er schüttelt auch manchmal den Kopf  und ist bockig.

Aldo Moro  ist  auch Grossvater. Der Alte mit den sanften Augen, mit dem man einfach nur stundenlang unter einer schattigen Pergola sitzen möchte. Dessen Atem man so gerne hört, wenn man ganz nahe bei ihm ist und dessen Seufzen liebevolle Aufmerksamkeit erweckt. 

Und Aldo ist der kleine Junge, der das kleine Mädchen im mir zum spielen einlädt, der lacht und Unfug macht und mit dem man alle Sterne träumen kann.


Dienstag, 10. März 2015

Total Reboot

Monate lang habe ich nun mit Heidi trainiert.
Zusammen haben wir viel gelernt und viel erreicht. Dann fing es an mit ihren Problemen. Erst schleichend, dann immer auffälliger: Das unerklärliche Abmagern, die zunehmende Nervosität.

Knapp zwei Monate vor dem geplanten Start der Reise war es also an der Zeit, Bilanz zu ziehen und sich die ehrliche Frage zu stellen : Kann ich es verantworten, Heidi mit auf die Pilgerfahrt zu nehmen?
Ich habe hin und hergerechnet. Habe abgewogen, zwischen der mitzunehmenden Futterration und dem zulässigen Höchstgewicht. Ich habe angefangen, die Route immer und immer wieder abzusuchen, ob nicht doch diese Hauptstrasse umgangen, jener Bahnübergang vermieden werden kann. Im Geiste sah ich uns durch die Städte Biel  und Locarno gehen, durch die endlosen Industriezonen Mailands.
Und schliesslich durch die Halbwüste Basilicates, wo es nur Hitze, Sand und Steine aber kaum Futter geben wird.
Es ist nicht zu verantworten.
Und das heisst: Entweder das Projekt ist jetzt tot, oder ein anderes Tier muss her.




Es ging alles unheimlich schnell. Ich fand eine Anzeige «ausgebildeter Trecking Esel, hat bereits den Jakobsweg gemacht und viele andre Langzeit Touren». 

«Gamin» heisst er und lebt in Roiffieux, Département  Ardèche, in der Region Rhône Alpes.    

TGV macht's möglich, gestern bereits unternahm ich mit Gamin und seinen Besitzern eine ausgedehnte Tour durch die mediterranen Pinienwälder in den felsigen Höhen, westlich des Ortes.

Ich habe ihn dauernd mit Heidi verglichen  - «Heidi würde hier so reagieren, würde das machen». Derweil trottete Gamin die meiste Zeit brav hinter mir her. 

Der Kontakt mit dem Besitzer-Ehepaar, beide erfahrene Säumer und Trekker, hat mir unglaublich gut getan. Ihre Herzlichkeit und ihre vielen wertvollen Tips haben mich motiviert und mir neuen Schwung gegeben. Sie haben sich für mein Projekt begeistert.
Am Abend wurde der Kaufvertrag geschlossen. Gamin ist jetzt meiner.


Nun hat es keinen Sinn, Gamin mit einem teuren Transport zu mir in die Vogesen zu karren. Ich werde daher die Route ändern und ab Roiffieux abreisen. 
Der gesamte Schweizer Teil der Route wird gestrichen. Stattdessen geht es über das Vercors Massiv, die Seealpen von Westen hinein nach Italien. Auch die Agglomeration Mailand entfällt so. Erst hinter Genua wird auf die alte, ursprüngliche Route eingebogen.

Das fällt mir nicht leicht. Ich hatte mich sehr auf den Schweizer Teil gefreut, den Gotthard, das Entlebuch, das Maggia Tal...
Aber diese Orte sind nicht «die» Pilgerfahrt. Die Pilgerfahrt, das ist Aldo Moro, Torrita Tiberina, Maglie...Und diese Route bleibt ja.

Entfallen wird auch das Besondere, von der eigenen Haustür aus wegzumarschieren um bis vor Aldos Geburtshaustür in Maglie zu wandern.
Ich werde am 15 April den Zug nach Roiffieux nehmen. Dort werde ich bei Gamins Besitzern noch die letzten Vorbereitungen treffen und am 16 eine Probetour mit vollem Gepäck machen. 



Und dann, am 17 April,  geht es definitiv auf und davon.
Die Route über Südfrankreich ist wesentlich kürzer, allerdings hat es mehr Berge. Dennoch könnte es sein, dass ich einen ganzen Monat früher ankomme...Vielleicht doch schon im September, statt im Oktober. Dann wäre ich doch zu Aldos Geburtstag in Maglie.

Heidi wird während meiner Abwesenheit auf die Weiden von Maupotel kommen, ich bringe sie dieser Tage dahin. Ein Abschied - auf Zeit - der mir auch schwer fâllt.

Noch kämpfe ich innerlich sehr mir dieser grossen Änderung. Auch wenn ich weiss, dass es das einzig richtige war.