Dienstag, 23. Juni 2015

Piazza Aldo Moro

Heute hatte ich zum esten Mal Angst, keine Unterkunft zu finden. Wir waren 30 Kilomter lang der Küste gefolgt, von Pietra Ligurie bis Noli.
Die Beine taten weh und ich hätte im Grunde schon viel früher wieder die Berge ansteuern sollen, um dort eine Unerkunft zu finden.
In Noli fragte ich mich etwas in den Geschäften durch und man sagte mir, ich müsse schon sehr weit in die Berge gehen um wieder auf Bahausungen zu stossen, die in Frage kämen.

Also zog ich los. Nach einigen Quergassen holte uns ein Mann ein, der ganz ausser Atem war. Er sprach mich an und sagte er habe gleich am Stadtrand ein Grundstück mit Eseln, da könne ich übernachten. Ja, er habe von den Leuten in der Einkaufspassage gehört, dass ich was suche. Es sei auch ganz nah.
Mit einem Schlag waren alle Sorgen weg. Erleichtert schaute ich mich um, hatte ich doch nun wieder den Blick und den Kopf frei.

Da sah ich wo ich war:



Zufall? Glaub ich nicht daran. Nun sag noch einer, dass wir kein gutes Team sind, Aldo und ich!

Das ist übrigens das erste Aldo Schild, dass ich entdecke, seit ich in Italien bin.
Interessant ist, dass es auch die Leibwächter erwähnt, die bei dem Überfall abgeschlachtet wurden: “E Martiri della Via Fani”

Sie werden in der Regel noch viel mehr vergessen als Aldo selber.


Das kleine Paradieschen, wo die Esel sind, zu denen Gamin sich gesellen durfte ist ideal. Ich darf hier sogar unseren Ruhetag verbringen. So werde ich morgen den Tag mit wichtigen Erledigungen, aber auch mit Strand und Entspannung verbringen.


Donnerstag, 11. Juni 2015

Penner unter sich


Dornröschen, Rip Van Winkle...meine beiden Lieblingsmärchen. In beiden Geschichten schläft jenmand für sehr lange Zeit ein und erwacht erst wieder, als sich Umfeld und Umstände komplett geändert haben.  

Hier im Süden schlummern viele Dinge im Dornröschenschlaf ; Alte Steinhütten, vergessene Nischen, knorrige Olivenbäume mit Gesichtern...unbeachtet am Wegesrand dösen sie unter sengender Sonne. 

Hört man genau hin, so meint man fast ein Flüstern zu hören: "Meine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Sie wurde nur angehalten, vor sehr langer Zeit. Vielleicht dauert es noch hundert Jahre, aber ich werde wieder aufwachen. Durch was oder wen auch immer"

Wer so ein schlafendes Wesen aufwecken will, muss zunächst verstehen lernen, warum es überhaupt erst eingeschlafen ist. 

Für Rip Van Winkle war es eine Gnade. Ein Geschenk, das ihm der knorrige Geist Hendrick Hudson gemacht hat. "Trink das Bier, schlaf eine Runde und wenn Du aufwachst, sind 25 Jahre rum, Deine Frau, die dich fertig macht, wird dann tot sein". So hatte sich der Hendrick das wohl gedacht. In einer Zeit, in der Scheidung kein Thema war, wohl der einzige Weg, der "häuslichen Gewalt" zu entfliehen. 
Nicht nur das: Rip Van Winkle verschlief auch das Blutvergiessen des Unabhängigkeitskrieges. 

Der Preis war allerdings nicht ohne: Denn der junge Rip erwachte als alter Mann. Er verschlief also fast sein ganzes Leben. Nur seine mittlerweile erwachsenen Kinder erkannten ihn und bescherten ihm immerhin noch ein schönes, friedliches Alter.

Bei Dornröschen war die Ausgangslage eine ganz andere. Ihre Familie liebte sie, ihr Umfeld war gut - bis auf den einen, dunklen Punkt:  Die dreizehnte Fee mit ihrem tödlichen Fluch. 

Da half keine Vorsichtsmassnahme und kein Verbrennen aller Spinnräder im Königreich. Ihr Schicksal steuerte unweigerlich auf jenen tragischen Tag zu, mitleidlos und ohne die geringste Chance, das Unheil doch noch abzuwenden. 

Der hundertjährige Schlaf wird zur einzigen Hoffnung in der fatalen Ausweglosigkeit. Wie sagte die gute Fee:  "Ich kann den Fluch nur abmildern, nicht aufheben". 
Dornröschens Eltern werden nicht mehr erleben, wie ihre Tochter aufwacht. Es bleibt nur der Trost, dass der Schrei nach dem Stich an der Spindel nicht das Ende, nicht das letzte Wort war. 

Dass das, was jetzt angehalten wird, irgendwann weiter geht. 

in der komplexen Gleichzeitigkeit des Erlebens aller Dinge in dieser Pilgerfahrt, sind Aldo und ich sowohl Schlafende, Weckende als auch Aufwachende. 
Aldo Moro ist Dornröschen und ich bin Rip Van Winkle. 

wie das literarische Vorbild, habe ich viele Jahre lieber geschlafen, statt mich der Front zu stellen und Probleme wirklich anzupacken. Nun wache ich auf, bin aber schon alt.

Ich stelle mich den Dornen im Wald des Vergessens, der Aldos Schlaf bewacht. Ich reisse mir an dem Gestrüpp Hände, Beine und das Herz blutig und rufe ihm zu: " Ich bins, der alte Rip! ich bin aufgewacht und komme nun, um Deine Uhr irgendwie wieder anzuwerfen!" 

Alle Rosen des Dornenwaldes schenkt er mir dafür. 

Montag, 8. Juni 2015

Pass des Grauens

Leser meiner alten Blogs wissen, dass ich ein grosses Problem mit dem Rücken habe. Das ganze Pogramm: Geburtsfehler im Becken, der sich im Laufe der Jahrzehnte verschlimmert hat, plus kaputte Bandscheiben. Ich konnte zeitweise kaum mehr gehen, insbesondere weil die Entzündung und damit der Schmerz stark ins linke Bein herunterstrahlt.
Mit Medikamenten und Thermalkuren habe ich die Sache ziemlich gut in den Griff bekommen. Während des Trainingsjahrs 2014 hat sich der Rücken, respektive das Bein, kaum gemeldet und irgendwie hielt ich die Sache für überstanden. 

Obwohl mir natürlich bewusst ist, dass das nicht “heilt”.

Schon vor Tagen meldete sich ein neuerlicher Schmerz in der linken Hüfte. Noch war es beherrschbar.

Der Col de Brause zwischen Contes und Sospel ist eigentlich nicht sehr gross. Ca 9 KM im Aufstieg und 12 km im Abstieg. So ein 20 Km Pass, wie ich ihn mir mittlerweile gewohnt bin. Der Aufstieg war denn auch unproblematish.

Schon bei den ersten Schritten des Abstieges jedoch, feuerte ein spitzer Schmerz, vom Hüftknochen ausgehend, ins Becken. 
Ich humpelte sofort an den Strassenand, setzte mich auf einen Stein und rastete etwas. Wird gleich wieder. 
Und tatsächlich. Etwas verschnaufen, der Schmerz geht. Auch die weiteren Schritte sind gut...doch keine Zehn Meter weiter...Neue Stiche. Feurig, Schmerzhaft. 

Ich verliere fast den Halt. Wieder rasten. Dann wieder weiter. Der Schmerz nimmt zu. Nun heisst es, sich von Rastplatz zu Rastplatz zu schleppen. Alle zwanzig Meter. Die segende Hitze macht alles noch viel schlimmer. Die vorbeirasenden Autos und Motorräder ebenfalls. 

12 Kilometer! Wie soll ich das nur schaffen? 

Ein paar Villen tauchen auf, ich frage, ob ich mein Zelt aufschlagen darf. Es wird abgelehent. Aber man lässt mich wissen, dass man mit Gamin Mitleid hat, weil er so schwer beladen ist.

Ich schleppe mich weiter die Kurvenstrasse runter. Ich schliesse die Augen. irgendwie tut es dann weniger weh. Immer wieder Augen öffnen, sehen, ob die nächsten zehn Meter vor mir fei sind, dann, zur Belohnung, wieder Augen zu. Und alle 20 Meter, die ganz grosse Belohnung: Hinsetzen dürfen.

Stunden ziehen dahin. Es ist nur ein verdammter 20 Kilometer Pass! Normalerweis hätte ich den längst hinter mich gebracht. Gamin versteht nicht, warum wir so oft halt machen. Aber er nimmt es hin, zupft Gräser am Wegesrand.

Sospel ist das Ziel. Ich habe meine Mutter gesagt, sie soll mir Artotec und Baclofène nach Sospel schicken, als Poste restante. Das müsste inzwischen angekommen sein. 

Endlich erreichen wir Sospel. Den Camping Municipal. Der ist zwar offiziell noch gar nicht offen, aber das macht nichts, die Zeltwiese ist frei zugänglich und es sind schon jede Menge Camping Cars da.

Mit letzter Kraft stelle ich das Zelt auf.

Am nächten Tag geht es gleich zur Post. Ja, die Medis sind da! Ich schlucke die ersten noch auf der Stelle. 
Danach rufe ich die hiesige Tierärztin an. Gamin braucht noch eine zweite Grundimmunisierung und natürlich das Zollzeugnis. Dieses ist nur 8 Tage gültig. In der Zeit muss ich also über die Grenze!



Zum Glück helfen die Medikamente. Der Schmerz ist zwar nicht gänzlich weg, aber beherrschbar.

Trotzdem ist es ein mulmiges Gefühl, als wir am frühen Morgen aufbrechen. Wieder über einen Pass - diesmal nach Italien! 






 

Mittwoch, 3. Juni 2015

This Land is your Land


JFK: "Nein, ich denke nicht, dass wir hier campiren können"
Aldo: "Aha. Wenn Du meinst"

In den Tagen an denen dieses Bild entstand, wanderten wir durch das nahe Hinterland der Côte d'Azur. Dorf reiht sich hier an Dorf. Eine Welt bestehend aus Luxusvillen, die sich an die steilen Hänge klammern.  Versteckt hinter hohen Mauern, elektronischen Portalen und Überwachungskameras. 

Es gibt kaum öffentlichen Grund. Der Reisende muss sich strikt an die Strasse halten. Ich werde an die Durchquerung des Militärgebietes "Camp Canjures" erinnert, wo man ebenfalls keinen Schritt von der Strasse abweichen durfte. 

Hier wie dort, überall Schilder die potetielle Eindringlinge abschrecken sollen: 
"Zone Voisins viligilants" - Die Zone der aufmerksamen Nachbarn, die "die Polizei rufen, wenn ich es nicht tue"..."Vorsicht, böser Hund"..."Vorsicht, noch böserer Hund"..."Privatgrundstück"..."Zugang Verboten.... 
All das garniert mit den stolzen Werbe-Aufklebern diverser Sicherheitsfirmen.



Auf einer Wiese drohte ein Schild gar mit "Terrain piégé" also "mit Fallen bestücktes Grundstück". 
Um weche Art von Fallen es sich dabei handelt, bleibt bewusst der Fantasie des potentiellen Eindriglings überlassen. 

Fallgruben? Antipersonenminen? Eine Popualtion Giftschlangen?

Je länger man durch dieses paranoide Ghetto wandert, desto mehr hat man das Gefühl dass sich hier Menschen ihre eigenen Hochsicherheitsgefängnisse gebaut haben. Luxuriöse Gefängnisse gewiss, aber eben doch Gefängnisse. 
Die Angst ist hier  Kerkermeister.

Ich muss an den Vers aus Woody Guthries "This Land is your and" denken:


As I went walking I saw a sign there
And on the sign it said "No Trespassing."
But on the other side it didn't say nothing,
That side was made for you and me


Ich will gewiss nicht ungerecht sein. Natürlich ist die Angst vor Einbrechern nicht unbegründet. Die Côte d'Azur ist eine Region der Reichen und das zieht wohl zwangsläufig  Kriminialität an. 
Auch Aldo Moro wohnte  nicht in einer offenen, jedem zugänglichen Hütte. Sondern in einem gut bewachten Anwesen. Leibwächter schützten ihn. 

Dass seine Furcht nicht unbegründet war, hat die Geschichte tragisch bestätigt.

Montag, 1. Juni 2015

Countdown zur Grenze

So langsam näheren wir uns der Italienischen Grenze. In ein paar Tagen Tagen sind wir in Sospel und danach ist es nicht mehr weit. Die Vorboten sind da. Vieles ist zweisprachig beschriftet, die Namen klingen alle italienischer und mittlerweile wissen die Menschen, wo Apulien liegt, dafür kaum noch, wo die Ardèche.



JFK:
"wir näheren uns der Grenze. Die Verbotsschilder werden zweisprachig"
Schild:  "Es ist streng verboten Blumen auszureissen, die zu essen, scheissen und zu atmen"


Der Grenzübertritt ist eine der ganz grossen Meilensteine dieser Reise. Fast habe ich mich daran gewöhnt,  durch Frankreich zu wandern. Daran, immer und überall die Sprache zu beherrschen. Mitreden zu können, die Kultur zu teilen. Der Gedanke, dass ich hier vollumfänglich durch meine Krankenkasse abgesichert bin, war ebenfalls beruihgend. natürlich bin ich das dank europäischer Versuchertenkarte auch drüben. dennoch...alles wird komplizierter.

Ja, es hätte noch lange so weiter gehen können. Und doch, dieser französische Teil der Strecke war nur ein Vorgeschmack, diente lediglich dem Aufwärmen.
Drüben spielt die Musik! Unweigerlich nähere ich mich dem Tag, an dem alles anders sein wird. Eine andere Kultur, eine andere Sprache. Ob meine italienischkenntnisse wirklich ausreichen? Ich habe ein Jahr gelernt und gepaukt, aber reicht es wirklich? Natürlich werde ich unterwegs auch noch viel lernen. Jetzt heisst es bald kopfüber eintauchen, und das voll und ganz, in diese neue Welt. 
Zum ersten mal, seit meiner Kindheit, als ich per Sturzflug in die frankophone Kultur getaucht bin, wird nun wieder eine solche Situation eintreten.

Ich fühle fast schon physisch, wie sehr sich Aldo auf diesen Tag freut. Das ist es, was er will, worauf es für ihn hinausläuft. 

Ich sehe ihn hinter dem Feigenbaum, der hier zwischen Palmen und Kakteen wächst, lächeln.

Montag, 25. Mai 2015

Träume

Nun sind schon fast anderthalb Monate vergangen, seit ich in Roiffieux mit Gamin losgezogen bin.

 Nein, es ist nicht “als ob es gestern war.” Ein Phänomen dieser Reise ist die Verlangsamung der Zeit. 
Das im Lufe der Jahre immer schneller werdende Dahinrassen der Tage wurde gestoppt.
Gefühlt bin ich vor sehr langer Zeit aufgebrochen. Ich  habe Wochen gebraucht, um den Vercors zu überquren und bin ebenso lange durch das Drôme Tal gewandert.

Die Zeit ist  wieder so unendlich, wie die Distanzen riesig sind.
Das, was noch vor mir liegt kann ich schon gar nicht mehr erfassen. Es ist wie in der Kindheit, als “in zwei Monaten” Synonym für “Nie” war.


Ein Grund mag sein dass ähnlich wie in der Kindheit, keine Routine existiert. Jeder Tag ist neu, bringt neue Erfahrungen mit sich und verlangt die vollkommene Offenheit dem Unbekannten gegenüber.
Das Geschenk der verlagsamten Zeit, dieser neuen Ewigkeit, ist eine der beeindruckensten Aspekte meiner Pilgerfahrt.

Die kargen Berge zwischen St Pierre, Majastres und Palude sur Verdon haben wir überquert, die Verdon Schlucht und schliesslich die “Village perchés” -  Bargemon, Seillans, Tanneron - jene Dörfer, die in schwindelerregenden Höhen in den Hang gebaut sind und wo jeder Schtritt entweder aufwärts, abwärts - oder un den Abgrund führt. 

Jeder flache Quadratmeter der dem Steilhang abgerungen wurde, durch Terassenbau und Ausnutzung auch des kleinsten Vorsprungs, ist hier belegt. Jedes Fleckchen wird gepflegt und bewacht. Olivenbäume und Mimosen wachsen wischen klinen hölzernen Treppen, Steinen und Mauern. 

Eine eiganartige Welt zwischen mächtiger Natur und dem Schick der nahen Côte d’Azur.



Vieles was ich sehe, kenne ich so aus ganz alten Träumen. Sie ergeben nun Sinn.
 Die Unterkunft-Suche in diesen Dörfern zwischen Himmel und Erde zum Beispiel, Davon träumte ich vor über 25 Jahren. Ein Traum, er so beeindruckend war, dass ich sogar einen Comic darüber machte.
“North East Pass” hiess der und wurde in einer amerikanischen Anthologie veröffentlicht.
Wie lange ist das schon her! Und nun ist das Thema real geworden.

Überhaupt die Träume. Ich träume viel und intensiv, vergesse aber auch überdurchschnittlich viel wieder. Was daran liegt, dass das Aufwachen im Zelt doch weniger gemütlich ist, als zu Hause. 

Gamin und ich sind fast immer ein Hingucker. Aber nicht immer ist das angenehm. Wenn Autos neben mir abbremsen, damit mich die Insassen kommentarlos fotografieren können und dann weiterrrasen, fühle ich mich wie im Zoo.



Auch die ewigen “Oh, ist der aber schwer beladen” Ausrufe sind irgendwann ermüdend. 

In Bargemon schreckte eine Frau zurück als ich ihr sagte, dass es es eine Pilgerafahrt ist. Den Flyer das ich ihr entgegenstreckte um ihre zuvor penetranten Fragen zu beantworten, wies sie angewidert von sich. 
Erst die Erklärung, ich sei auf der Spur von Aldo Moro, erleichterte sie. Da strahlte sie wieder: “Ach so, ein Politiker, dann ist ja alles gut, ich will nur nichts von Marienerscheinungen und so hören”.

Das ist wirklich das erste Mal dass sich jemand erfreut zeigt, dass ich für einen Politiker pilgere...

Nur wenige Strassen weiter erlebte dann das exakte Gegenteil. Die Frau, die auf Gamin und mivh zukam, schien etwas in anderen Sphären zu leben. Sie fragte, ob sie Gamin streicheln dürfe. Es sei ihr prophezeit worden, dass wenn sie einen Esel streichle der nach Seillans zieht, sie Glück haben würde. Als ich ihr offenbarte, dass wir tatsächlich nach Seillans wollten, war sie ergriffen und glüklich. 

Niemand weiss, was genau hinter ihrem Erleben steckte. Es war eines dieser Geheimnisse des Südens, mit seinen steinernen Nischen, Heiligentafeln und Madonnen, die in der Mittagshitze träumen.  

Wo wir wieder bei den Träumen sind.
Natürlich träume ich viel von Aldo, auch von John F. 

Ich verstehe immer mehr, wie wichtig für Aldo Verbindlichkeit, Treue und Engagement sind. Oberflächlichkeit, Opportunismus und Beliebigkeit waren und sind im ein Greuel. In diesen -  aus seiner Sicht -  Untugenden, liegt auch die Erklärung für den Verrat an ihm begründet. Wenn er  überhaupt eine Erklärung finden konnte, Dann die.

Hat er erst verstanden, dass das Engagement für ihn ehrlich, aufrchtig und vor allem verbindlich ist, ist er bereit, sich ebenfalls stark und dauerhaft zu binden. 










Sonntag, 10. Mai 2015

Sonnenwege





Wie immer in diesen Tagen rund um Aldos Todestag,  ist tiefe Melancholie in mir.
Die zauberhafte Landschaft rund um die ”Sentiers du soleil”, wie das Wanderwegnetz in der Haute Provence gennnt wird, verstärkt die Schwermut. Die Einsamkeit des Herzens wiederallt hier als Echo im Gesang der Zikaden.

Würde ich mir einen Knöchel verstauchen oder mich auf einen Kaktus setzen, dann bekäme ich wohl Zuspruch und Trost.
Aber diesen Schmerz umgibt nur Schweigen.

Aldo, der Todestag, meine Trauer - sie scheinen schlichtweg egal. Ich denke, ih könnte auch für für eine Pharmakonzern pilgern, oder für Mickey Mouse oder Silvio Berlusconi. Das würde rein nichts in der Wahrnehmung meiner Pilgerfahrt im Aussen ändern. 

Die physishe Leistung wird anerkannt. 
Fie Liebe dahinter nicht.






Samstag, 9. Mai 2015

9 Mai

Na ? Doch nicht?

Nun, ich hatte es versucht: Aldo mit ausgestreckten Armen zu zeichnen. Aber er wollte nicht. 
Er sperrte sich gegen meine Stifte, so lange, bis das da unten bei rauskam. Er ist eben immer noch nicht darüber hinweg. Wie auch? 

Heute, vor 37 Jahren ist es passiert. Mario Moretti, Führungsmitglied der Brigate Rosse, der zweit Tage zuvor noch Frau Moro angerufen hatte um sie anzuflehen, sie solle doch die Regierung beeinflussen auf dass Aldo nicht sterben müsse.  Er vollstreckte in den frühen Morgenstunden das Todesurteil.
Es war keineswegs unumstritten. Einige BR Mitglieder warben heftig dafür, Aldo lebend gehen zu lassen. Moretti aber, der wie erwähnt, Frau Moro "um Hilfe" bat und nach eigenen Angaben "tiefes Mitgefühl mit Aldo" empfand, bestand nicht nur auf der Tötung, er bestand auch darauf, diese höchstselbst vorzunehmen.  

Über den genauen Ablauf des Mordes gehen die Berichte auseinander. Mehr oder weniger alle Brigatisti versichern, dass es ihnen wichtig gewesen sei dass Aldo nicht leiden müsse, weshalb man ihm vor dem Gang zur Schlachtbank alles mögliche erzählt habe; er könne jetzt nach Hause, er würde nur in ein anderes Versteck gebracht und was weiss ich noch alles.

Ich bin mir sicher, er hat sehr wohl gewusst, dass es nun zu Ende geht. 

Später weinten einige BR Mitglieder an Aldos Grab und Cossiga, der Inneminister, der ihn ebenfalls fallen gelassen hatte, weinte ebenfalls. Viele Tränen, die allesamt mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhielten als jene von Aldo Moro selber.

Immer noch ergibt das alles keinen Sinn, kann nichts, aber auch gar nichts gutes daraus transfiguriert werden. 
Der Fall Aldo Moro steht im krassen Widerspruch zu allen schönen Mutmacher Sprüchen, vom Sanften, das stärker sei als das Harte, von der Geduld, die sich auszahle undsoweiter. Es gibt keinen Trost, keine erbauliche Lehre in dieser Geschichte. 

Im Klappentext des französischen Buches, in dem ein Teil von Moros Briefen veröffentlicht sind,  steht : 
"Aldo Moro war eine der schönsten und liebenswürdigsten Figuren des 20 Jahrhunderts. Seine Botschaft, wonach in jeder Situation Die Wahrung von Leben Vorrang hat und Diplomatie vor Gewalt geht, hat, obwohl er selber damit verloren hat, bis heute Gültigkeit".

Betrachtet man die Welt von heute, so kann ich nur erkennen, dass die Botschaft weniger denn je Gültigkeit hat. Tat sich die Brigate Rosse wenigstens noch richtig schwer mit ihrer Entscheidung, Aldo zu töten, so haben heutige Terroristen kein Problem damit, pro Tag mehrere hundert Menschen abzuschlachten.

Warum ich das gerade alles schreibe? Ich bin auf Pilgerfahrt für Aldo, auf der Suche nach den verborgenen Tränen. 

Und heute ist sein Todestag.


Sonntag, 3. Mai 2015

Die Zeichnungen

Klar, zeichne ich. Jedoch komme ich nur sehr langsam voran. Der Aufbau des Zeltes, das Abladen des Gepäcks, einrichten usw, all das braucht Kraft und Zeit. Und so bleibt mir, wenn überhaupt, nur wenig Zeit am Tag um zu zeichnen. Jedes fertige Bild zeigt daher eine Szene die mindestens schon ein paar Tage alt ist.
Wie das hier: Die Pilger des 19 Jahrhunderts, umzingelt von den Monstern des 21 Jahrhunderts.


Samstag, 2. Mai 2015

Der Weg der Steine



"Hinter dem Col du Rousset beginnt der Midi" hat man mir gesagt. Das sei die Klimagrenze. Damit ist dieser Pass also so etwas wie der Gotthard in der Schweiz. Nach dem Gotthard kommt man ins Tessin, jener submediterranen Sonnenstube Helventiens. Und nach dem Col de Rousset, da  fängt der tiefe Süden Frankreichs an. Mit den Lavendelfeldern und den Pinien.
Diese Aussicht war wahrlich verlockend. Nach einem Tag und einer Nacht Dauerregen waren kein trockener Knochen mehr in Gamin und mir. Wir hatten in einer gespenstisch- verlassenen Ski-Station auf der Passhöhe übernachtet. Und nun galt es, einen Fussweg über den Pass zu finden. Der fast zwei kilometerlange Autotunnel kam für uns nicht in Frage.
Abschied von der Ski Station, die Nebel lichten sich.


Es hatte aufgehört zu regnen, die Sonne brach durch und verschaffte Gamin beste Laune. Leichtfüssig folgte er mir über den zauberhaften Wald und Bergweg. Als sich der Wald lichtete, offnete sich uns auf der Berghöhe eine atemberaubende Aussicht:


Allerdings kam gleich danach der Schreck: Der Weg führte nun steil hinunter, entlang der bodenlosen Tiefe. Eng, schief, voller Steine, so unwegbar wie der GR des Grauens bei Bouvante, nur noch höher, halsbrecherischer und noch gefährlicher.

Der Magen drehte sich um. Wieder akute Höhenangst. 

Aber jetzt stand ich vor der Entscheidung. Diesen Pfad nehmen, oder umkehren. Und zwar nach Vassieux. Durch den Strassentunnel geht es nicht. Umkehren nach Vassieux? DAS Gelatsche, alles retour, alles umsonst? Und danach? Wohin?

Nein, es musste gemacht werden.

Langsam, Schritt für Schritt. Ich tastete mich vorwärts, stocherte mit dem Stock nach Halt, befahl mir nur auf den Boden zu schauen und niemals  - NIE - in die Umgebung. 
Bald kam ein Felsvorsprung, so abfallend und steil, dass Gamin nicht mehr weiter mochte. Also bastete ich ihn ab, legte die Ladung vorsichtig auf den nicht eben üppig vorhandenen Platz am Boden und führte den Esel fast unbeladen hinunter. 100 Meter weiter unten liess ich ihn zurück, stieg wieder hinauf und holte das Gepäck nach. So kämpften wir uns vorwärts, 100 Meter, über 100 Meter. 

Doch dann, wir waren schon weit unten, degenerierte der verdammte Pfad in ein Meer aus Schotter, das wie eine versteinerte Lawine am Hang lag und durch das sich ein kaum noch zu erahnender "Pfad" schlängelte. Die Stabilität eines jeden Steines war rein optional, kaum trat man auf, kam Bewegung in den ganzen Steilhang. Ich bezweifelte, dass Gamin da mitging, aber er tat es. Wir tasteten uns milimeterweise vorwärts, immer wieder rutschten die Steine unter uns weg und polterten in den Abgrund. 

Wie kam ich da bloss hin? In eine Situation, in die ich niemals kommen wollte. Das Sinnbild all meiner Ängste hatte sich materialisiert, so real, dass es unwirklich war. 
Endlich hatten wir den Schotterpfad geschafft. Doch nun musste ich noch einmal zurück, das Gepäck holen. Wieder rauf, rutschend, nach Halt suchend. 

Die vier schweren Seesäcke bewegte ich nun ebenfalls milimeterweise vorwärts. Immer erst mit den Füssen Halt suchen, dann die Säcke etwas nachziehen. Die Steine polterten, rutschten. Plötzlich schien der ganze Hang instabil, unter meinen Füssen und Händen geriet alles in Bewegung. Ein Stossgebet an Aldo. Der Hang kam zur Ruhe.

Unter mir höhrte ich es krakelen. Entgegen meines Vorsatzes wagte ich einen Blick nach unten. 
Auf einer Aussichtsplatform die mit dem Auto erreichbar ist, standen ein paar Leute und zeigten nach oben zu mir, fotografierten und amüsierten sich köstlich über das Spektakel hoch über ihnen in der Wand. 
Wut ergriff mich - Gentlemen alter Schule wären jetzt raufgeklettert, um zu HELFEN. 

Doch dann wurde mir schlagartig klar: Sie kommen nicht rauf, weil sie es nicht *können*. 
Sie haben ihren faulen Arsch mit dem Auto auf die Platform transportiert und fotografieren nun in sicherer Position die grandiose Bergwelt. Ich war einfach nur eine zusätzliche Attraktion. 

Pilgerfahrten dienen auch der Selbsterkenntnis, so sagt man. Das war so ein Augenblick. 

Ich erkannte, dass genau das mein Leben ist:  Auf einem Pfad zu klettern, den sonst niemand geht. Allenfalls amüsiert belächelt von den anderen. Aber nicht weil ich minderwertig bin -  so wie ich immer dachte - sondern weil ich anders bin. 
Ich hatte jetzt keine Angst mehr, denn das war mein Weg. Ich bin da nicht "hingeraten". Ich bin da, weil ich diesen Weg gehen kann, anders als die Gaffer unten.  

Schliesslich kam ich unten an. Ich bastete Gamin neu. Die Platform Gaffer kamen näher, beäugten mich. Einer sagte zum anderen, so dass ich es gerade noch hörte " Esel mag ich nicht, die sehen doof aus".

Nun hiess es, die 15 Km lange, in schwindelerregenden Schlangenlinien verlaufende Bergstrasse hinunter zu gehen. Runter vom Vercors. Nach jeder Haarnadelkurve wurden die Bäume grüner, die ersten Pinien tauchten auf, eine verheissungsvolle Ahnung von Mittelmeer lag in der Luft. Ja, es stimmte, wir kamen nun in den Midi.



Chamaloc ist denn auch ein typisch südfranzösisches Dorf. Mit Zypressen und Zikaden und einem grossen Lavendelfeld. 

Nach etwas Rumfragen fand ich schliesslich eine Familie, in deren Garten ich campieren durfte.


Gamin imGarten 

Ein Blick zurück zum Vercors, der nun hinter mir liegt. Nun hatte ich doch noch mein "Gotthard" und den damit verbundenen, mystischen Ubergang von Nord nach Süd.  

Ich blicke mit Dankbarkeit zurück, Vercors, du wilde, gefährliche Festung aus Stein und Fels. Die Tage bei Dir waren hart, sehr hart, aber Du hast meine inneren Grenzen weit aufgerissen und Potential freigelegt, von dem ich nie geahnt hätte, dass es da ist. Du hast mir Kraft und Selbstvertrauen gegeben. Lass dich nie von den Menschen zähmen. 

Auf dem Steilpfad selbst konnte ich nicht fotografieren, doch später, weiter unten,  konnte ich den Ort des Geschehens festhalten. Oberer Pfeil zeigt auf Schotterpfad, unterer auf die Gaffer Platform.





Donnerstag, 30. April 2015

Passtrasse

Die wunderbare Sonne strafte am 29 April alle Wetterfrösche Lügen, welche da Regen und himmlischen  Trübsal vorhergesagt hatten.
Eine leichte Route über Passtrassen führte uns raus aus Bouvante, bis nach Lente.



Am Col du Chaud Clapier

Wenn man wandern kann ohne fürchten zu müssen, mit jedem Schritt in einen Abgrund zu treten, können auch die Gedanken wieder freier schweifen.

Natürlich denke ich viel an Aldo Moro. Dass ihm diese Pilgerfahrt Die meisten Menschen, die ich treffe, sind erstaunt darüber, dass ihm diese Pilgerfahrt gewidmet ist.  Mehr als über die Tatsache, dass ich das mit einem Packesel mache oder dass das Ziel so weit weg  und die Zeit dahin so lang ist.

Besonders schön war es in Léoncel: Ich hatte ja in dem Dörfchen hinter der Kirche campiert. Am Morgen kam eine Kirchenmitarbeiterin und entschuldigte sich dafür, mich nicht schon am Vorabend wahr genommen zu haben. 

Die Kirche stellt Pilger freie Zimmer zur Verfugung. Nun solle ich aber wenigstens kommen und etwas frühstücken.
Ich nahm dankend an, erklärte ihr aber, dass ich nicht katholisch sei und nicht “offiziell” pilgerte, sondern eben für Aldo Moro. 
Das macht nichts” meinte sie. “Pilgern ist etwas sehr persönliches, jeder hat seinen Weg. Und Aldo tut das gut, es macht ihm Freude.” 

Sie sagte das mit grosser Selbstverständlichkeit, was mich sehr berührte.

Ein gelebtes Beispiel von Offeheit und interreligöser Toleranz.

Sicher liegt es auch am Einfluss des Vercors, wo es viele unbekannte, verschlafene Walfahrtsorte gibt, die abseits des prominenten Jakobswegs den stillen Pilgern ihre ganz intimen Heilswege eröffnen.



Die meisten Leute können Aldo nicht spontan zuordnen. Ich erkläre ihnen dann kurz ,wer war und spüre jedesmal die Kraft die davon ausgeht, ihn dem Vergessen zu entreissen.

Ja, es tut ihm gut. Und mir auch. Das kalte, zynische Böse, das sich in der mitleidlosen Vernageltheit aller Protagonisten äusserte und deren Handeln letzten Endes zu seinem Tod führte, es hat nicht das letzte Wort.
Fast vierzig Jahre später ist der Aufschrei des Herzens immer noch da, immer noch wach und wird nicht verstummen.


Die Nacht im Zelt bei Lente war brutal!: Minus-Temperaturen! Gamin hatte am frühen Morgen einen gefroreren Arsch, wie man sieht.

Montag, 27. April 2015

Stairway to hell

So, heute war der erste richtige Scheiss Tag.

Der Aufstieg auf den Pfad der mich von Bouvante nach Lente und damit in die richtigige Reiserichtun bringen sollte, führte rasch auf einen mörderischen Pfad, Steil wie Sau, Voller Steine, Geröll und Glitsch. Und querliegenden Bäumen. 




Am Anfang sah's noch nett aus.





Doch bald schon so. Und schlimmer. (Warum kommt auf Fotos eigentlich nie rüber, wie steil sowas ist)


Natürlich blockte Gamin vor den Baumstämmen. Ich versuchte ihn zu motivieren, bastete schliesslich ab, bis er darüber sprang oder kletterte.
Kaum war ein Baum überwunden, kam der nächste. Eine Tortur. Natürlich fragte ich mich, ob es nicht klüger wäre, um zukehren, aber wir hatten ja schon einige Baume hinter uns und ich hatte immer die Hoffnung, dass das der letzte war. 


War das jetzt der letzte?




Nee, jetzt...

Wir kamen irgendwann *fast* oben an. Doch dann.... Der ganze Hang verschüttet von Baumstämmen, und Felsbrocken. Und ein am Boden liegendes kaputtes Holzschild mit der Inschrift: "Wir sind dabei den GR zu sanieren, sorry für die Unanehmichkeiten"
Ja, besten Dank, Arschloch! Ein GR in diesem Zustand gehört schlichtweg abgesperrt!



Endstation Baumhölle

Nun mussten wir also doch umkehren.

Der Regen wurde immer heftiger und verwandelte den steilen Abhang in eine glitschige Hölle. Als ich wieder abbasten musste, rutschte mir die Rolle mit dem Schlafsack und der ISO Matte aus der Hand, hinunter auf den Boden  -  und weiter runter in den bodenlosen Schlund der Schlucht. 

Das wärs also gewesen mit dem schönen Schlafsack! Immer mehr regnete es, ich war nass bis auf die Knochen, ein Wind kam auf, es wurde immer glitischger. 

Ich weiss gar nicht, wie oft ich ausgerutscht und in den Dreck gefallen bin. Gamin stürzte Auch mehrfach und eine Zeit  lang dachte ich, ok, das wars, Das hier  wird unser Grab.

Irgendwann blockte Gamin vor einem Baumstamm, den auch nicht genommen hätte, Da am anderen Ende nur eine steil abfallende, nassrutschige Felswand war. Ich weiss gar nicht wie wir es geschafft haben, aber wir kämpften uns zurück nach Bouvante und so bin ich nun wieder im Hotel. 

Die Hotelfrau ist bereit, mich morgen in einen Ort zu fahren, wo es ein Outdoor Geschäft gibt, so dass ich mir einen neuen Schlafsack und Iso Matte kaufen kann.
Der Laptoop ist Auch nass geworden, er hat einen bösen Fleck am Bildschirm. Funktioniert aber sonst noch.Alles ist nass und zerschunden.
Fürwahr ein Höllentag.

Sonntag, 26. April 2015

Vertigo

"Wollen Sie mit dem Esel da rauf?" wurde ich von einem Mann gefragt, der eilig aus seinem Haus gerannt gekommen war.
 Aber ja. Ich verliess gerade Peyrus und hielt auf den Anfang des GR 95 zu! Der Pfad, der hinauf in den Vercors führt.

Der Mann erklärte mir, dass es im oberen Drittel des Aufstieges einen ca 3 Meter hohen Fels gäbe, den auch Menschen nur mit Mühe erklettern können, mittels minimalistischer Trittkerben. FÜr Esel meinte er, sicher unpassierbar.

Ich bedankte mich für die Warnung, ging aber dennoch weiter. Zur Not konnte ich Gamin an der besagten Stelle ja abbasten, das Gepäck von Hand raufhieven und Gamin einen Weg nach oben suchen lassen.

Der Aufstieg wurde immer enger und vor allem steiler. Wurzeln und Steinbrocken bieten für Menschenfüsse immer wieder eine Art Stufe, für Eselhufe sind sie jedocheeine Tortur.



Harter Aufstieg

 Als es gar zu steil wurde, blockte Gamin. Nach ca einer halben Stunde konnte ich ihn dazu bringen, weiter zu klettern, Danach blieb er aber wieder stehen. Und wieder Zerren, Zureden.

Insgeheim hoffte ich, das wir besagte Stelle  irgendwann hinter uns gebracht hatten, denn solche Felswände lagen bereits einige hinter uns.
Pustekuchen! Da war sie, die Felswawand.




Sofort stand fest: da kommt kein Esel rauf, egal ob mit oder ohne Gepäck.
Ich verliess ich den GR und versuchte, mich mitten durch das Gestrüpp kämpfend, das Hindernis zu umgehen , um anderer Stelle hochzukommen und wieder auf den GR einzubiegen. Das klappte dann auch. Der Lohn war wenige Zeit später das wunderschöne Hochplateau des Pas du Touet.




Danach ging es erst mal eine Weile flach weiter. Schlieslich erreichten wir Léoncel.

Schon am Eingang der Bürgermeisterei hing ein Zettel mit der Telefonnummer an die man sich wenden kann, wenn man zelten will, oder eine Unterkunft braucht. Uns wurde schliesslich eine Wiese hinter dem Friedhof zugewiesen.

Nach einer sehr windigen Nacht ging es weiter, wieder auf einen Steilpfad. Gamin streikte ebenfalls wieder nach kurzer Zeit. Ein Schild mahnte : "Aufstieg für Reiter und Mountinbiker nicht anzuraten". Aha. Es erwartete uns da oben in den Felsen wieder so eine halsbrechereische Scheisse.
Diesmal beschloss ich, auf den Esel zu hören und wir machten kehrt. Wir umgingen das Ganze, in dem wir schnöde der Départementale folgten ( deutsches pendant: Bundesstrasse) 

Nach einer Weile bogen wir wieder auf den GR ein, NUn öffnete sich das Vercors Hochplateau in seiner ganzen Pracht.



Wir erreichten den Col de la Bataille. Hier kann man in alle Richtungen weit ins Tal und in die Berge sehen.


Ein imposantes Schauspiel, zweifellos.
Jedoch mir schlotterten die Knie und alles drehte sich. Höhenangst!
Jetzt hatte es mich voll erwischt. Der Col ist 1313 Meter hoch, im Grunde nicht viel, aber die Bilder sprechen ja für sich. Höhenangst hatte ich schon immer, aber eigentlich nie in den Bergen.
Doch hier - da ging gar nichts mehr.

Ich fotografierte ohne hinzusehen. Ich hatte nur noch das Bedürfnis, möglichst schnell runter, und zwar auf der Hauptrasse, wenns geht flach auf dem Boden kriechend.

Irgendwie schafften wir es bis in die Gradiol Hütte. (Gradiol...klingt wie Gradoli) eine spartanische, unbemannte Hütte ohne Wasser, Funknetz und Strom, aber mit einem Holzofen und einer Holzbank, auf der man schlafen kann.


Ich beschloss, hier zu übernachten. In der Hütte war Holz, aber kein Papier. Ein arg zerrissenes Gästebuch lag auf dem Tisch. Die diversen Einträge verrieten schnell, warum das Werk in so einem schlechten Zustand war: “Sorry, wir mussten Seiten herausreissen um Feuer machen zu können, irgendwie ging es um Leben und Tod”...usw...

Nun tat ich es den Vorgänggern gleich und hoffte, mit so wenig wie möglich Seiten auskommen zu können. Nach etwa 10 Seiten brannte der Ofen gemütlich.

Ansonsten war die Nacht in dem unheimlichen Bau alles andre als heimelig. In meinem Zelt wäre mir wohler gewesen. In so eine Hütte *darf* jederzeit wer reinkomen und sich zu Dir legen. (!)

An und für sich darf man auch neben so einem Refuge campieren. Aber ich war für den Zeltaufbau viel zu müde. Und so verbrachte ich die Nacht, auf dem Boden neben demOfen schlafend. Das Dortoir war mir zu gruselig.

Der weitere Weg des GR würde nun über den Plateau d'Ambel führen, am Grat einer bodenlos tiefen Felswand und das in bis zu 2100 Meter Höhe.
 Das ist ist mir zu hoch.
 Und dann das Wetter. Regen, starke Windböen.

Einige grundlegende Gedanken drängten sich au: Dieser Vercors Grat ist ja erst der Anfang. Die Alpen werden mit GR Pfaden aufwarten, die in Höhen von über 2900 Meter führen. Bis ich den Esel nur schon da rauf gezerrt habe, ist es Herbst.

 Die einzige Lösung liegt darin, die Route weiter südlich zu verlagern und dabei aufzupasen, dass  die zu bewältigende Bergwelt innerhalb des 1000 - 1200 Meter bereiches bleibt.

Anders gehts nicht. Also folgten wir heute einmal mehr glanzlos der Départementale. Ganze 38 KIlometer! Gamin war fix und fertig als wir endlich in Bouvante, einem kleien Dorf eintrafen. Dort gibt es ein Restaurant-Hotel, wo ich mich kurzerhad eincheckte. Gamin kam auf eine Apfelbaumwiese und ich freute mich auf eine Dusche. Zwar fiel mir dabei der riesige Duschkopf auf die Birne, aber man kann ja nicht alles haben.

Dafür durfte ich mich ans Hauseigene WIFI hängen, so dass ich nun fleissig an der neuen Route arbeiten kann.

Dienstag, 21. April 2015

Begegnungen

Seit gestern wird die Landschaft immer flacher. Das bedeutet nicht etwa ein einfacheres vorankommrn, im Gegenteil. Endlos lange, gerade Teerstrassen, auf denen man gefühlt nicht vom Fleck kommt, immer mehr Hindernisse wie Autobahnen, schnellstrassen und Flüsse.
Eine breite Furt über den Fluss Bouvier war denn auch zuviel für Gamin. Ich stand mit nackten Füssen in der Mite des eiskalten wassers, zupfte und zog an der Leine - ohne Erfolg. Im Gegenteil: Mit einmal wirbelte er herum und versuchte mich ins Wasser zu reissen. Vermutlich um mir zu zeigen, wie das ist und weil das später eine lustige Zeichnung abgeben würde. Aber den Gefallen tat ich ihm nicht. Ich konnte mich halten.
Ehe ich erfror, gab ich das Vorhaben auf. ich zog mich an und wir suchten eine Brücke. 3 extra Kilometer! Na toll.
Immerhin kamen wir so nach Clérieux rein und ich hoffte dort einen Laden zu finden, wo ich meinen bedrohlich schrumpfenden Proviant auffüllen könnte. Denkste. Der einzige Laden im Dorf war zu und verriegelt.
Also ging es weiter. Die Überquerung der Isere verlief über eine gruselige Brücke, die schon in der Träumen meiner Kindheit aufgetaucht ist. Gamin fand sie auch nicht super, aber ich hatte richtig Angst.
Schliesslich durfte ich das Zelt hinter dem Haus eines alten Bauerehepaars aufschlagen.
Heute Morgen nahm ich mir fest vor, nun definitiv nach einer Einkaufsmöglichkeit Ausschau zu halten. In der Ferne sah ich einen riesigen Schuppen mit grossem, gefülltem Parkplatz - so wie man das von den  französischen Supermärkten kennt. also nichts wie hin. Ich verliess den GPS track und kampfte mich querfeldein. Nach einer dreiviertelstunde dann die Enttäuschung: Es war kein Supermarkt sondern irgendeine undefinierbare Scheiss Firma. So müssen sich Reisende in der Wüste fühlen, die gerade einer Fata Morgsna auf den Leim gegangen sind.
Etwas weiter sah ich eine grosse Tankstelle. Nun, die müssen doch wenigstens sandwiches haben, und vielleicht sogar gas kartuschen. Diesbezüglich laufe ich nämlich auch auf Reserve.
Der Zugang zu dieser Tankstelle war irgendwie ungewöhnlich schwierig. Als ich merkte warum, war es auch schon zu spät. Wir waren auf einen Autobahnrastplatz geraten.
So verloren mit Esel inmitten von Lkws, Autos und gaffenden Blicken...es gibt schöneres. Aber was tut man nicht alles für den Politiker seines Herzens.
Sandwichs gabs, Gas leider keins, aber wenigstens Instruktionen, wie wir wieder von der Autobahn runterkommen.
Nach einer Weile erreichten wir einen weiteren kleinen Rastplatz. Ein Auto bog ebenfalls ein und ich wusste sofort: ok, dieses Zusammentreffen muss sein.
Die Fahrerin sprach mich an und eine viertelstunde später stand fest, wir können bei ihr Übernachten. sie gab mir die Adresse und sagte, ich solle dahin, sie selber komme aber erst am Abend, nach der Arbeit.
Es handelte sich im ein Anwesen, gross und schön, so mit Maueer und Überwachungskamera. Daher war ich erst unsicher, wis mich  die anderen Bewohner, die ja nicht bescheid wussten, empfangen würden. Die Sorge war unnötig. Der Empfang war herzlichch und bald sass ich unter einer grossen Plantane, geduscht und mit einer Kanne Tee und Schokolade an einem Tisch und zeichnete.

Nette Gespräche mit den wurklich lieben und interessanten Bewohnern des Anwesens machten diesen Tag perfekt.

Die Engen Gassen...Gamin passt durch. Die Ladung nicht.

Samstag, 18. April 2015

Furt des Ruhms

Die letzte Nacht war hart. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn meine Iso-Matte war defekt. Flach wie ein Radreifen. “Gomma a terra”, wie der Italienier sagt.

Zum Glück leisteten Gamins Ex Besitzer Nothilfe und brachten mir ihre Matte mit dem Auto. Ein Glück!

In der Nacht hatte es heftig geregnet. Das Zelt musste ich triefend nass in den Sack stecken.

Die heutige Etappe hatte es in sich. Verzauberte Waldwege die sich zwischen moosigen Eichen durchschlängelten. heiss-schwüle Luft, voller Düfte. Der Weg führte hinunter in eine Schlucht, die so tief war wie das Unterbewusstsein der Welt. 
Die “Brücke” bestand nämlich aus einem alten Baumstamm und einem Strick als Handlauf.

Es half alles nichts: Wir mussten durch die Furt. Unser erstes, echten Hindernis.
Einen Sekundengedanken lass wollte ich irgendwen anrufen, um mich zu beschweren, oder um Hilfe zu holen...
Aber es war klar: In dieser tiefen Schlucht waren wir allein und nun mussten wir damit fertig werden.
Ich tat einige Schritte ins Wasser. Gamin blockte am Ufer, wie zu erwarten war. Ich stand im Wasser, rief und zupfte an der Leine. So gig es eine ganze Weile.
Plötzlich sah ich ihm an, wie er sich ein Herz fasste, ein Sprung, zwei drei, Galopsprünge und wir waren am anderen Ufer.

Ich lobte ihn ausgiebig, wir teilten einen Apfel. Wir hatten es geschafft! Es gibt kaum etwas schöneres als diese Komplizität mit dem Tier. Wir werden so langsam ein Team.


Danach ging es wieder steil begauf. Wir kletterten aus der Schlucht und erreichten eine Berghöhe mit blühenden Bäumen und weiten Wiesen.

Unten im nächsten Tal sah man den Rhône, Arras und weiter hinten - weitere Berge, schattenhaft den Vercors. Irgndwo jenseits dieses beeindruckenden Horizontes liegt Apulien.

Der Abstieg nach Arras ging über halsbrecherische Pfade, oft nicht breiter als 20 cm. Ich konzentriete meinen Blick auf die Kakteen und Steine im Sand, um nicht in den gähnenden Abgrund schauen zu müssen.
Gamin kam überall gut durch.
Wir überquerten den Staudamm von Arras. Wieder ein Fluss überquert.
Grosse Müdigkeit überkam uns.


Schliesslich fanden wir einen kleinn Platz am Ufer der Rhône, den eine Motorrad-Werkstatt uns gezeigt hatte, und da steht nun das Zelt. Wir hören die Boote und Schiffe auf dem Fluss.

Irgendwie ist das alles genau das: die echte Bohème, dieses Wandeln zwischen den Welten. Ein grosser Tag mit grossen Bildern neigt sich zu Ende.




Freitag, 17. April 2015

Regen


Es regnet. Ich sitze im Zelt im trockenen, aber Gamin tut mir leid, denn er steht draussen in der Plörre. Ein Telefonat mit seinem Ex-Besitzer ergab, dass er sich das gewohnt sei und es ihm nichts ausmache. Leid tut er mir trotzdem.

Das Wetter war wechselhaft an diesem unserem ersten Tag. Sonne, Regen und Wolken im Wechsel. 
Das Etappenziel wurde mit 800 Meter Minus erreicht.

Wunderbare Wege waren es teilweise. Romantisch und verwunschen. Dann wieder Stückweit entlang der stark befahrenen Départementale. Ich musste oft an Heidi denken. Daran, dass sie in der gleichen Situation längst zur Internontinental-Rakete mutiert wäre.

Gamin hat die Ruhe weg. Auch Kläffer ignoriert er weitestgehend. 
Einmal jedoch - ich konnte ihn wegen der Hausecke nicht rechtzeitig sehen -  knallte ein Schäferhund explosoionasartig gegen den (glücklicherweise vorhandenen) Zaun und bellte wie en verrückter. Ich hatte mich sowas von erschrocken. Gamin trabte sofort auf ihn zu, mit einem grimmigen “Dir ist anscheinend zu wohl, Arschloch” - Blick. Ich konnte ihn zurückhalten und sagte ihm, dass dass Vieh es nicht wert wäre, dass wir jetzt Ärger machten (und dadurch welchen bekommen).

Gegen Nachmittag fing es an, stark zu regnen. Gamin wurde langsamer, lustlos und bremsig, ich konnte ihn nur noch ziehen. 
Zeit, einen Lagerplatz zu suchen, obwohl der heutige Track nock ca 1 oder 2 Kilometer lang gewesen wäre.
Ich fragte bei einem Reitsttall an, der gleich am Strassenrand liegt. Zunächst hiess es, nein man habe keine Platz und so oder so könnten die Pferde Angst vor dem Esel bekommen. Ich insisitierte, wies darauf hin, dass wir komplett durchnässt sind und wir nur ca 20 Qm Wiese bräuchten. 
Schliesslich durften wir auf eine Grasflecken vor dem Anwesen. So endet die erste Tagesetappe.








Donnerstag, 16. April 2015

Die Generalprobe

Heute war Gneralprobe mit Gamin: 18 Kilometer in den Bergen um Roiffieux,

Nach dem Gamin anfänglich meinen Packtaschen gegenüber mit grosser Angst begegnete, und wir uns Zeit nehmen mussten, ihn mit den Dingern vertraut zu machen, ging es los. Und er folgte brav und mit suchrem Schritt.

Der Wind blies teilwise heftig mit starken Böen, Vor allem auf dem Berg. Aber was für eine Landschaft!

In den Vogesen erwacht der Frühling erst; aber hier in der Ardèche ist alles ein Rausch an Blüten und Blumen.


So langsam habe ich gnug von den Trainingstouren, auch wenn die heutige natürlich sehr wichtig xar. Dennoch: Was freue ich mich, dass es morgen endlich richtig losgeht!


Kein Lied passt besser zu diesem Tag als das da:




Nun gut, es ist noch niht ganz Mi, aber alles andere passt!